Die Mädels müssen’s richten

Wer sind Deutschlands beste Nachwuchs-Langläufer? Eine erste Antwort liefert der 1. DSV Schüler-Cup 2018 in Oberhof. Fast 190 Talente der Altersklassen 14 und 15 geben alles. Die Thüringer Mädchen retten die Freistaat-Ehre. Von Karsten Tischer

Oberhof – Ein Skistock fliegt plötzlich in hohem Bogen aus dem Auslaufbereich, jemand schreit und wirft sich zu Boden; weiter hinten ruft einer seinem Nebenmann ein lautes „Arschloch“ zu, nur, weil der nicht rechtzeitig aus der Spur gegangen war; der Sieger, der sich neben beiden ausruht, grinst nur und dreht den zwei Verlierern den Rücken zu; weiter weg, hinter dem Holzzaun, nimmt eine Mutter ihre Tochter in den Arm. Tränen laufen von ihren Wangen auf die Jacke der Mutter. Die Konkurrentin, die doch eigentlich ein paar Sekunden später gestartet war, erzählt sie ihr, ist auf der Strecke einfach an ihr vorbeigezogen. Szenen eines Morgens in Oberhof, an dem man recht schnell merkt: Hier geht es um mehr als nur ein bisschen Skilaufen. Vielleicht passiert heute ja die entscheidende Weichenstellung Richtung Olympia, das doch noch in so weiter Ferne liegt. Vielleicht klappt heute endlich der große Sprung, auf den man so lange hingearbeitet hat. Ausgerechnet bei Alexandra Otto ist der Knoten am Wochenende geplatzt. Obwohl doch viele vor dem 1. DSV Schüler-Cup in diesem Jahr sich in Zurückhaltung übten, was die Thüringer Hoffnungen betraf. Und dann gewinnt eine Skilangläuferin vom WSV Bad Lobenstein gleich das erste Rennen. Lange Zeit nach dem Sieg im 1,2-Kilometer-Sprint dreht Alexandra Otto noch eine Runde alleine durch die nun fast leer geräumte Oberhofer Ski-Arena. Bei Langlauf-Landestrainer Udo Recknagel hält sie kurz an. Er nimmt sie in den Arm, verteilt Glückwünsche. „Letztes Jahr sah es noch nicht so aus“, sagt sie und lacht zaghaft. Letztes Jahr, da war Ottos erster Start beim Schüler-Cup. Die besten Langlauf-Talente Deutschlands in einer Nachwuchsserie gegeneinander. Damals, erzählt die 14-Jährige, sei sie noch sehr aufgeregt gewesen. Ein Jahr später ist alles ein bisschen anders. Sicherer sei sie geworden. Und, das fällt beim Stehen neben ihr auf: Gewachsen ist sie auch. 1,80 Meter vom Kopf bis zu den Zehen. Ein Vorteil, der sich auf der Strecke auszahlt. Recknagel ist zufrieden. „Eine super Steigerung zum letzten Jahr.“ Platz eins und Platz sechs bei den Mädchen in der Altersklasse 15. Jene Sechste, von der Recknagel spricht, ist Fabienne Schlegelmilch vom Ski- und Wanderverein (SWV) Goldlauter-Heidersbach. Wie Alexandra Otto auch groß gewachsen und diejenige, die aus Südthüringer Sicht das beste Ergebnis einfährt. Dass das klappen würde, deutete sich bereits am Samstagmorgen nach der Qualifikation an. Schon da funktionierte Schlegelmilchs Ski hervorragend, wie sie selbst konstatierte. „Am Anfang fiel es mir schwer, gleich richtig schnell zu laufen. Hinten raus war ich aber richtig gut, habe die Läuferin vor mir eingeholt.“ Das hat Fabienne Schlegelmilch einen Tag später auch bei Alexandra Otto geschafft. Im Freistil über fünf Kilometer kommt sie über 40 Sekunden eher ins Ziel und wird Dritte. Macht in der Gesamtwertung ebenfalls Platz drei, einen Punkt vor Otto. Es sind vor allem die Nachwuchsläuferinnen, die am Wochenende die Thüringer Fahne hochhalten. Fabienne Schlegelmilchs drei Minuten älterer Zwillingsbruder Felix gehört bei den Jungs mit zu den besten Langläufern, verpasst aber an beiden Tagen die Top Ten zwei Mal knapp. Landestrainer Udo Recknagel macht keinen Hehl daraus, dass der Freistaat in der Altersklasse 15 nur dünn besetzt ist. Und bei denen, die eigentlich vorne mitlaufen könnten, kam dann auch noch Pech hinzu. „Bei Luis Gödecke vom SV Biberau ist im Prolog der Ski gebrochen. Da hatte er natürlich keine Chance mehr. Er musste das Rennen mit dem kaputten Ski zu Ende laufen. Das ist dann wie Stolpern. Aber er kämpfte sich ins Ziel.“ Auch Felix Schlegelmilch hatte gleich zum Auftakt Materialprobleme. Immer wieder rutschten seine Skier beim Aufstieg durch die FIS Schneise zurück. Über Nacht wurde aus der beim Training am Freitag noch sehr weichen Strecke, eine extrem harte. Doch ein Nachbessern im Wachstruck bringt schnell Besserung. Und Schlegelmilch kann sich nach dem 1. DSV Schüler-Cup bester Südthüringer nennen. Rang elf nach zwei Rennen. Aber auch er weiß, dass bei den Jungs in seinem Alter eine große Lücke klafft. Nur zwei von seinen Altersgenossen besuchen derzeit das Sportgymnasium in Oberhof. Und: „Bei den Älteren haben schon viele aufgehört.“ Er glaubt, bei vielen würde mit der Zeit einfach die Bereitschaft, jeden Tag aufs Neue rauszugehen und zu trainieren, nachlassen. „Vielleicht haben manche nicht so den Willen“, vermutet Felix Schlegelmilch. Eine, die gerade erst aufs Sportgymnasium gewechselt ist, ist Elena Weyh vom SC Motor Zella-Mehlis. Seit den Sommerferien lebt sie dort; zusammen mit Nelly Hartwig (SV Biberau) in einem Internats-Zimmer. Ein Duo, das sich gut versteht. „Bei uns ist immer was los“, sagt die Zella-Mehliserin. Die 13-Jährige holt im Sprint erst die elftbeste, einen Tag später die neuntbeste Zeit. Hartwig wird über 1,2 Kilometer Neunte, über die Langdistanz 15. In der Pokalwertung der U14 sind die beiden Freundinnen die ersten Verfolgerinnen aus Thüringen. Oder wie es Elena Weyh mit einem Lächeln sagt: „In die Top 25 schaffen wir es immer.“  Mehr Bilder: www.insuedthueringen.de

Thüringens Beste: Fabienne Schlegelmilch liegt in der Gesamtwertung im Schüler-Cup nach zwei Rennen auf dem dritten Platz bei den U15. Fotos: König

Eine Altersklasse darunter ist sie die schnellste Läuferin aus dem Freistaat: Elena Weyh vom SC Motor Zella-Mehlis. Aktuell ist die 13-Jährige Achte.

So geht’s weiter beim DSV Schüler-Cup Nach der Station Oberhof wird der Schüler-Cup mit zwei Langlauf Wettkämpfen in Buntenbock im Harz (17./18. Februar) sowie dem Finale im März im Baden-Württembergischen Kirchzarten fortgesetzt. Nach sechs Rennen steht dann fest, wer Deutschlands bester Nachwuchsläufer und beste Nachwuchsläuferin bei den 14- und 15-Jährigen ist.

Freies Wort vom 30.01.2018