Raus aus dem Kindergarten

 

Sie gehen in eine Klasse, bilden eine Trainingsgruppe, haben ein gemeinsames Vorbild und ein großes Ziel: Die jungen Skilangläuferinnen Antonia Fräbel, Katherine Sauerbrey und Melanie Schäfer wollen zu den Olympischen Spielen.

Von Thomas Sprafke

Oberhof – Nicht Marit Björgen ist ihre Nummer 1, auch nicht Therese Johaug. Nein, Petter Northug steht ganz oben auf der Vorbildliste bei drei jungen, hoch talentierten Skilangläuferinnen aus Thüringen. „Wenn man ein Rennen von ihm sieht, bekommt man einfach Lust auf Langlauf“, sagt Katherine Sauerbrey. „Er hat zwar nicht die beste Technik, er ist auch als Mensch nicht perfekt, aber er ist clever und bietet eine große Show“, ergänzt die 18-Jährige. Ihre Trainingskollegin Antonia Fräbel schwärmt ebenso vom großen Norweger, dem 13-maligen Weltmeister: „Man sieht ihm die Leidenschaft für den Langlauf immer an. Er macht seinen Sport trotz aller Quälerei einfach gern.“ Antonia Fräbel (WSV Asbach), Katerine Sauerbrey (SC Steinbach-Hallenberg) und Melanie Schäfer (SCM Zella-Mehlis) – diese drei Namen sollte sich der Sportfan durchaus merken. Bei den Europäischen Olympischen Jugend-Winterspielen Anfang des Jahres wagte sich das Trio erstmals mit großem Erfolg auf das internationale Parkett. Fräbel gewann in Lichtenstein dabei gleich drei Medaillen, darunter Gold im Einzel über 5 Kilometer. Sauerbrey holte zweimal Bronze. Doch das soll nur der Anfang sein. „Die drei Mädels gehören in ihrer Altersklasse zu den zehn Besten der Welt, und sie haben noch viel Potenzial nach oben. Bislang war alles Kindergarten, jetzt geht es erst richtig los“, sagt Trainer Erik Schneider, zugleich verantwortlicher Stützpunkttrainer im Langlauf in Oberhof und somit auch Chef von Axel Teichmann und Jens Filbrich, beide einst Weltklasse-Langläufer und jetzt Trainernovizen. Schneider hat das talentierte Trio schon seit Jahren unter seinen Fittichen. Nun soll mit dem Schritt ins Juniorenalter die nächste Stufe auf dem Weg in die nationale und internationale Spitze genommen werden. „Die Teilnahme an der Junioren-Weltmeisterschaft in Rumänien ist das klare Ziel für alle drei in diesem Winter“, sagt der Coach. Im zweitklassigen Continetal- und Alpencup sollen sich die Athletinnen das nötige Rüstzeug holen. Entscheidender Gradmesser für die Nominierung werden die deutschen Meisterschaften Ende Januar in Oberhof sein. Dort wird die komplette deutsche Spitze der Frauen, Männer und des Juniorenbereiches starten.

Auf diesen Kräftevergleich im heimischen Revier freuen sich Antonia Fräbel, Kathrine Sauerbrey und Melanie Schäfer schon jetzt. „Wir sind noch nie gegen die Großen gelaufen, und deshalb wird es eine besondere Herausforderung. Auch, um zu wissen, wo wir stehen“, sagt Ausnahmetalent Antonia Fräbel. Die junge Dame vom WSV Asbach, die in Oberhof lebt, gilt als Frontfrau des Trios. „Sie ist die Antreibende, sie geht voran, sie ist immer motiviert“, lobt Katherine Sauerbrey ihre Freundin und Konkurrentin. Melanie Schäfer wiederum streicht Fräbels Gesamtpaket heraus: „Kondition, Kraft, Schnelligkeit.“ „Wir sind schon mehr Freundinnen und verbringen viel Freizeit miteinander“, beschreibt Melanie Schäfer das Verhältnis der drei Trainingskolleginnen und Schulkameradinnen. Einzig im Wettkampf duelliert sich das Trio, „ansonsten ist die Zusammenarbeit sehr befruchtend. Feindbilder oder ein Zickenkrieg wären doch nur Energieverschwendung“, bringt es Erik Schneider auf den Punkt. Nur zusammen komme man vorwärts, so der Trainer weiter.

Für gemeinsame Kinobesuche in Suhl oder Einkaufstouren nach Erfurt bleibt momentan allerdings wenig Zeit. Die Saison steht vor der Tür, zudem warten im Frühjahr die Abiturprüfungen. Auch auf der Schulbank gilt Antonia Fräbel als das Maß der Dinge. „Sie ist überall sehr ehrgeizig, ein richtiges Biest, gerade, wenn es mal nicht so läuft“, urteilt Trainer Schneider. Der Feststellung, dass es für junge Frauen schönere Hobbys als den knallharten Langlaufsport gibt, entgegnet Antonia Fräbel vehement: „Ich mache Langlauf seit vielen Jahren, und das prägt. Ich kann mir einfach nichts anderes vorstellen. Es macht meistens Spaß, und wenn Erfolge dazu kommen, noch viel mehr.“ Erfolgshungrig ist das Trio zweifellos. „Natürlich träumen wir von der Teilnahme an den Olympischen Spielen“, spricht die bisherige Seriensiegerin Antonia Fräbel für sich und ihre Trainingskolleginnen. Wer weiß: Vielleicht treffen sie ja 2022 in Peking Petter Northug.

 

Gemeinsam sind wir stark: Katherine Sauerbrey, Melanie Schäfer und Antonia Fräbel (von links) wollen nun auch im Juniorenbereich angreifen. Foto: König

Freies Wort vom 03.12.2015